Organisationsentwicklung (OE) der Stadt Bülach
Reformation Organisationmodell Stadtrat
Vernehmlassung in den politischen Parteien
Bülach, Dezember 2016
Sehr geehrter Herr Stadtpräsident
Sehr geehrte Frau Stadträtin
Sehr geehrte Herren Stadträte
Der Stadtrat lädt die politischen Parteien zur Vernehmlassung über seinen Vorschlag für ein neues Organisationsmodell gemäss Brief vom 3. November ein. Wir danken dem Stadtrat, dass er auch die BSB als politische Bewegung in den Meinungsbildungsprozess einbezieht.
Die BSB hat sich eingehend mit der künftigen Organisation der Stadt Bülach auseinander gesetzt und insbesondere die Erfahrungen von zwei aktiven Gemeinderatsmitgliedern und mehreren ehemaligen Gemeinderäten und Stadträten einfliessen lassen, die gleichzeitig als erfolgreiche Unternehmer über Kenntnisse in Organisationsfragen verfügen.
Zusammenfassende Stellungnahme der BSB
Die BSB erachten es als unbedingt nötig, die politische und verwaltungstechnische Organisation zu optimieren. Der vorliegende Entwurf des Stadtrates ist aber in den Augen der BSB nicht mehrheitsfähig. Erstens ist die Ueberschrift „Organisations-Entwicklung (OE)“ irreführend, denn das Papier postuliert fast nur die exorbitante Erhöhung der Honorierung der Stadtratsmitglieder um insgesamt 74 %. Objektiver wäre die Titelsetzung mit „Vergütungsbericht“, der aber von den Stimmberechtigten wohl kaum in dieser Grössenordnung goutiert wird. Die Umwandlung der stadträtlichen Nebenämter in beamtenvertraglich geregelte Teilamtsverträge wäre für die politische Entwicklung Bülachs fatal.
Der Stadtrat ist aufgerufen, die Organisationsentwicklung in dem Sinne anzugehen, dass die Exekutive keine operativen Aufgaben zu erledigen hat und im Nebenamt zu bewältigen ist. Darunter gehört auch die Abschaffung der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung WOV, eine überholte Philosophie, die von den meisten politischen Gremien längst abgeschafft wurde. Einer Anpassung der heutigen Entschädigungs-Verordnung für die stadträtlichen Nebenämter um 20 bis 30 % würde die BSB dagegen zustimmen, keinesfalls aber der Einführung von Teilämtern mit Anstellungsverträgen.
Detaillierte Würdigung der stadträtlichen Vorschläge
Positive Bemerkungen:
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Im Gegensatz zu früheren Begehren für eine Anpassung der Entschädigung für die Exekutiv-Mitglieder wird der neue Ansatz nicht mehr rückwirkend sondern mit Wirkung ab neuer Legislaturperiode definiert.
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Die Anpassung der Anzahl Abteilungen in der Stadtverwaltung auf die Anzahl der Stadträte ist sinnvoll. Dies ist aber offensichtlich bereits umgesetzt und für diese Vernehmlassung nicht von Belang. Dass der Stadtrat seine Wirkung wieder wie früher in Ressorts aufteilt, anstelle der unseligen 17 Geschäftsfelder mit der Matrix-Organisation, ist die logische Folge und zu begrüssen.
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Richtigerweise sieht der Stadtrat vor, auf Lohnfortzahlungen nach Rücktritt oder Abwahl von Exekutivmitgliedern zu verzichten. Wobei zu hoffen ist, dass die aktuelle Denkweise nicht in einigen Jahren diese Bestimmung umstossen möchte.
Kritische Bemerkungen:
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Der Ansatz, dass jedem Ressort eine Fachkommission im Gemeinderat zugeordnet werden soll, ist zu verwerfen. Sinnvoll wäre auch, im Gemeinderat, die Wiedereinführung von Geschäftsprüfungs-Kommission GPK und Rechnungsprüfungs-Kommission RPK zu prüfen, in denen die Fähigsten und Erfahrensten aus jeder Fraktion vertreten sind. Die Nichtkommissionsmitglieder können sich in den Fraktionen mit den Geschäften auseinandersetzen, sich zu künftigen Kandidaten für die Kommissions-arbeit aufbauen und an der Gemeinderatssitzung eigene Meinungen vertreten. Kommissionen, in denen die Erfahrensten und Einsatzstarken aus jeder Fraktion vertreten sind, bekommen auch automatisch mehr Gewicht im Kontext mit dem Stadtrat.
Die Verzettelung der Legislative in viele kleine und eher wirkungslose Fachkommissionen macht auch deshalb wenig Sinn, weil die meisten Geschäfte heute sowieso Themenübergreifend sind. So hat wohl fast jedes Sachgeschäft Auswirkungen auf die Finanzen, auf die Umwelt, oft auch auf den Verkehr etc. Die vielen Fach-kommissionen erschweren zudem die Kommunikation und beschäftigen den Stadtrat zeitlich über alle Massen.
Das Stadtparlament Kloten verfügt gar über eine einzige Rechnungs-&Geschäfts-prüfungskommission. Das Parlament in Opfikon/Glattbrugg arbeitet auch mit nur einer RPK und einer GPK effizient.
- Im Vorschlag über die künftige Entschädigung des Stadtrates ist die Rede von Minimalansätzen und Maximalansätzen. Wer legt die konkrete Entschädigung des einzelnen Exekutivmitgliedes fest? Ist dies abhängig von Ausbildung, Leistung, Erfolgsausweis, Dienstalter oder Alter?
- Die auf Vollzeitstellen hochgerechneten künftigen Saläransätze in Franken halten einem Vergleich mit der Privatwirtwschaft bei weitem nicht stand. Zieht man den Maximalansatz der stadträtlichen Vorstellung in Betracht, würde das Einkommen des Stadtpräsidenten (auf Vollzeitstelle umgerechnet) 219‘125.- + 11‘920.- aus weiteren Mandaten, + 4‘800.- Pauschalspesen insgesamt also bis zu 235‘845.- betragen. Bei den übrigen Stadträten bewegen sich die Ansätze auf 100%-Stellen aufgerechnet ebenfalls bis rund 200‘000.-. In dieser Lohnkategorie ist die Luft in der Privatwirtschaft dünn und verbunden mit Leistungsausweis und echter Verantwortung. Die Exekutivmitglieder werden politisch gewählt, nicht auf Grund von Ausbildung, Referenzen, Leistungsvermögen, Erfahrung und sie tragen eigentlich wenig Verantwortung und kein Risiko, bei Fehlleistungen oder Fehleinschätzungen entlassen oder zur Rechenschaft gezogen zu werden, denn im Konkordanzsystem ist immer das Kollektiv verantwortlich.
Die BSB erlaubt sich, zu letzterer Aussage ein paar Beispiele anzufügen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
— 14-jährige Hilflosigkeit bei der Umsetzung Sportanlage Hagenbuechen
(Fussballclub spielt noch immer auf millionenteurem Bauland)
— Interessenkonflikt verzögerte jahrelang das ZVG (enorme Kostenfolge)
— IT-Debakel mit Millionenschaden (Fall beim Bezirksrat)
— Planungsleichen Sportinfrastruktur, Millionen für Gerichtskosten+Provisorien
— Debakel beim Kauf des Wydhofs + Selbstbedienung eines Stadtrates
— Schlecht verhandelte Verträge durch den Bauvorsteher in Bülach Nord
— Unkontrollierte Ueberstunden-Akkumulation durch Abteilungsleiter Soziales
— Fehlprojektierung erstes Asylantenheim (zeitlicher Verzögerung, Provisorien)
— Verweigerung, das Gesamtverkehrskonzept dem Parlament zu unterbreiten
Selbst der Vergleich mit den anderen aufgelisteten (zudem grösseren) Gemeinden und Städten ist nicht behelflich, denn auch dort halten sich die Gewählten für berechtigt, in den öffentlichen Topf zu greifen. Der Miliz-Gedanke geht eigentlich davon aus, dass sich engagierte BürgerInnen zur Verfügung stellen, die sich ein öffentliches Amt neben dem Beruf zutrauen können und so einen Beitrag im hervorragenden schweizerischen Miliz-System leisten wollen. Es ist nicht einzusehen, warum das, was jahrzehntelang funktioniert hat, plötzlich über alle Massen entschädigt werden soll. Es sind zahlreiche Stadträte bekannt, die das Amt hervorragend geführt haben und trotzdem ein Unternehmen in der Privatwirtschaft oder eine anspruchsvolle Führungsaufgabe betreut haben.
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Interessant ist, dass Vergleiche mit grösseren und auch mit ausserkantonalen Gemeinden gezogen werden, dagegen gleich grosse und in deren Entwicklung vergleichbare Städte im Zürcher Unterland, Regensdorf, Kloten und Opfikon/Glattbrugg, fehlen. Macht man sich die Mühe und konsultiert die Entschädigungs-Reglemente dieser Städte/Gemeinden, dann merkt der geneigte Bürger die Absicht und ist verstimmt. Die Exekutiven dieser Kommunen beziehen nämlich tiefere (resp. vergleichbare) Honorare im Vergleich mit dem heutigen Stadtrat Bülach!
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Je weiter man sich in das stadträtliche Papier einarbeitet, desto mehr entdeckt man die tendenziösen Absichten, die fehlerhaften Aussagen und Vergleiche.
Verglichen werden die Entschädigungen der Bülacher Exekutive auf Basis des Entschädigungs-Reglementes vom April 2000. In Wirklichkeit hat sich der Stadtrat seither die Ansätze um 9.35 % angehoben, sodass der Stapi zurzeit nicht 50‘000 bezieht, wie in allen Vergleichstabellen angeführt, sondern 62‘330.- inkl. seinem Anteil am 60‘000-fränkigen und ebenfalls um die Teuerung aufgestockten Topf. Dazu kommen Pauschalspesen von 4‘800.- und weitere Entschädigungen aus „politisch strategisch relevanten Mandaten“, die im Fall des Stadtpräsidenten gemäss eigener Auflistung 11‘920.- ausmachen, sodass er immerhin 79‘050.- pro Jahr bezieht.Macht man sich weiterhin die Mühe, die Teuerung seit dem Jahr 2000 auszuloten, so erfährt man, dass diese Teuerung in den darauffolgenden 15 Jahren lediglich 7 % betrug. Wie kam der Stadtrat schon 2015 auf 9.35 % TZ?
Zum Vergleich ein paar Zahlen aus den benachbarten Gemeinden analoger Grössenordnung: der Klotener Stapi bezieht seit 2010 eine Entschädigung von 63‘600.- + Sitzungsgelder und verfügt über keinen Topf sondern lediglich über eine etwas höhere Pauschal-Spesenregelung. Analog sind auch die Bezüge der Klotener Stadträte und des Schulpräsidiums geringer als in Bülach heute. Der Stapi von Opfikon/Glattbrugg bezieht seit 2006 64‘870.- + TZ + Sitzungsgelder, ohne Topf, und Spesen nur gegen Nachweis. Der Gemeindepräsident von Regensdorf (Einwohnerzahl 18‘050) bezieht seit 2006 eine Entschädigung von 46‘800 + TZ + Sitzungsgeld.
- Der Stadtrat setzt mehrmals das Wort „heute“ und suggeriert damit, die Exekutive sei heute mehr belastet als frühere Exponenten und die dynamische Entwicklung der Stadt habe die Anforderungen an das Milizsystem hoch werden lassen. Dass dem keineswegs so ist, liesse sich jederzeit belegen. Der Leistungsausweis der Exekutive in den letzten 10 Jahren ist im Vergleich eher bescheiden. Der Stadtpräsident hat auf unser Begehren die angeblich grössere Inanspruchnahme heutiger Exekutivmitglieder
auflisten lassen. Diese akribische Auflistung zeigt eindrücklich, dass es sich mehrheitlich um Aufwendungen der Verwaltung handelt, die mit der strategischen Führung des Stadtrates nichts zu tun haben. Für die Bewältigung dieser aufgelisteten Tätigkeiten ist bekanntlich die Gemeindeverwaltung um Dutzende neuer Angestellten (ca. 80 Vollzeitstellen) aufgestockt worden.Um zu erkennen, wie tendenziös heute argumentiert wird, empfiehlt die BSB, wieder einmal die protokollierten Argumente des Stadtrates bei der seinerzeitigen Reduktion der Exekutive von 9 auf 7 zu Gemüte zu führen. Damals wurde in Bülach der Begriff „Strategische Führung“ geboren, wonach der Stadtrat nur noch „Bestellungen“ zu formulieren habe, um dann die Umsetzung von der Verwaltung einzufordern. Das erhöhe die Effizienz und spare Kosten. Darauf wurde die Verwaltung gewaltig aufgestockt. Und die Wirkung?: Offensichtlich beherrscht der Stadtrat nach vielen Jahren die strategische Führung noch immer nicht, resp. die Verwaltung ist nicht in der Lage, Beschlüsse erfolgreich umzusetzen. Was wenig verwunderlich ist, wenn die meisten Chefbeamten nicht mehr in Bülach wohnen. Der damalige Stadtschreiber meinte gar, er könnte die Aufgabe selbst mit 5 Stadträten bestens bewältigen! Kurz nach der Einführung der neuen Gemeindeordnung kündigte dieser jedoch seinen Posten, hinterliess ein Chaos und eine eigentliche Kündigungswelle der Verwaltungs-Angestellten. Leider waren die weitsichtigen Stadträte, die diesen Ansinnen keine Erfolgschance zubilligten, in der Minderheit! - Was passiert, wenn ein Mitglied der Exekutive z.B. gleichzeitig Kantonsrat oder Nationalrat wird und/oder die 50, 60 resp. 80 % der Arbeitszeit gar nicht leisten kann oder zu leisten braucht? Wie ist die Regelung bei längerfristiger Stellvertretung?
- Was sind die Folgen der exorbitanten Erhöhung der Entschädigung der Exekutive? Welche Wirkung entfaltet das auf die übrigen Schulpflegemitglieder und die Parlamentsmitglieder und Kommissionen?
Auswirkungen von Teilamt-Anstellungen:
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Wenn die Arbeitszeitbelastung eines Exekutivmitglieds tatsächlich eine Entschädigung wie vorgeschlagen rechtfertigt, dann ist eine private Berufstätigkeit in verantwortungsvoller Stellung kaum mehr vorstellbar. Besonders beim Stadtpräsidenten. Wie sollte der seine Firma oder eine leitende Stellung in der Privatwirtschaft führen in einem 20%-Pensum?
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Das führt zu Bewerbern um ein solches Amt durch frustrierte Berufsleute, die mit der hohen Halbtagesentschädigung gleich viel verdienen wie im ganztags ausgeübten Beruf. Wollen wir solche Kandidaten? Eine Exekutive profitiert von der Erfahrung und dem Netzwerk von Führungspersönlichkeiten aus der Privatwirtschaft.
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Die neu vorgeschlagene Organisation fördert das Beamtentum statt das Unternehmertum. Die neuen StadträtInnen würden Supersaläre kassieren ohne jegliche Bilanzverantwortung, ohne jegliches Risiko. In der Privatwirtschaft riskieren überforderte Kader, entlassen zu werden. Als Stadtrat ist dieses Risiko gering und selbst bei Neuwahlen werden nicht die Fähigsten gewählt sondern diejenigen mit den meisten Stimmen oder der grössten Partei.
Generelle Bemerkungen:
Der Stadtrat suggeriert mit dem Titel Organisationsentwicklung (OE) eine Verschlankung der Verwaltung oder zumindest eine Effizienzsteigerung. Mit der Erhöhung der Entschädigung um 74 % bei gleichzeitiger Schaffung von Teilämtern verspricht er auch eine qualifizierte Verbesserung der politischen Arbeit, es würde dadurch die Organisation optimiert. Doch lässt sich aus dem Vorschlag nichts Entsprechendes, nichts Konkretes herauslesen.
Der Stadtrat spricht in der Ueberschrift von einer Reformation des Organisationsmodells. Das dürfte ein Freudscher Versprecher sein. Wir glauben nicht, dass das exekutive Anliegen mit der Reformation vor einigen hundert Jahren zu tun hat.
Die BSB empfiehlt darum, nochmals über die Bücher zu gehen. Im Bereich WOV liesse sich viel optimieren. Der stadträtliche Vorschlag ist oberflächlich, nicht ausgereift und zeigt keinerlei greifbares Verbesserungspotential. Die Entschädigungserhöhung scheint einziges Ziel dieses Papiers zu sein.
Ohne eine entsprechende Aufarbeitung geben wir dem Projekt keine Chance auf Akzeptanz bei der Stimmbürgerschaft. Die BSB bittet darum, die Regelung im Teilamt fallenzulassen und würde einer Entschädigungserhöhung im Nebenamt um 20 bis 30 % zustimmen.
Auf Seite 10 des Vorschlags zieht der Stadtrat sein“ Fazit“ bezüglich der Organisationsentwicklung. Wenn es nicht gelingt, handfestere, überprüfbare Effizienzverbesserungen aufzulisten, muss die BSB dieses Papier und den Vorschlag als nicht zielführend zur Ablehnung empfehlen. Die aufgeführten Argumente sind gelinde gesagt sehr bescheiden. Zudem erwarten wir, die Salärvergleiche mit anderen Städten korrekt darzustellen (inkl. TZ) und auch Regensdorf, Kloten und Opfikon/Glattbrugg miteinzubeziehen. Die Gemeinden aus den Kantonen Thurgau und St. Gallen sind dagegen aus der Vergleichstabelle zu entfernen, weil sie auf anderen Gemeindeordnungen und Traditionen basieren.
Die BSB bitten Sie, sehr geehrte Dame und Herren Stadträte, unsere Argumente ernsthaft zu prüfen und danken Ihnen dafür.
Mit freundlichen Grüssen
Beobachter-Stadt-Bülach BSB
der Präsident der Vizepräsident der Fraktionspräsident das BSB-Mitglied der RPK