Verpasste Chancen
In beiden Amtsperioden 1990 bis 1998 wurden 14 Quartierpläne zum Abschluss gebracht. Oft gehen viele Jahre ins Land, bis alle Anstösser, alle Behörden, alle Werke unterschreiben, beim QP Bülach Süd dauerte das über 30 Jahre!
Die Bülacher Bauabteilung musste sich nach der Baureife mit einem neuen Phänomen auseinandersetzen: Wer eine grössere Parzelle überbauen kann, hat Anrecht auf den Arealbonus, wenn er gemäss PBG (Kantonales Planungs- und Baugesetz) eine „Besonders gute Einordnung“ nachweist. In Bülach Süd erfüllten alle Parzellen diese Dimension die zu einer verdichteten Bauweise (z.B. ein zusätzliches Geschoss) führen können. Wie beurteilt man aber bei der Bauabteilung eine „Besonders gute Einordnung“?
Kurz vor Beendigung des QP Bülach Süd hat die damalige Bauabteilung bei zwei Projekten erstmals den Arealbonus gewährt, auf Grund von tollen Ideen der projektierenden Generalunternehmung zur Attraktivierung der Mehrfamilienhäuser. Was dann aber realisiert wurde, stellte keineswegs einen Mehrwert dar, die Baubehörde fühlte sich an der Nase herumgeführt. Das veranlasste den damaligen Bauvorsteher (Bruno Wermelinger), eine Kriterienliste aufzustellen, was unter besonders guter Einordnung verstanden und zur Bedingung gesetzt werden soll.
Man hat „Lehrgeld bezahlt“ und wurde sich bewusst, dass man in Bülach Süd die gute Einordnung höher gewichten musste für die Gewährung des Arealbonus an die Bauherrschaften. Schliesslich entwickelte sich in Bülach Süd ein neuer Stadtteil und nicht nur die Ueberbauung einer Baulücke. Die stätische Bauabteilung erkannte die Herausforderung und veranlasste einen Städtebaulichen Wettbewerb für den der Stadtrat den notwendigen Kredit gewährte. Die daraus gewonnenen Einsichten waren beeindruckend, und man erstellte aus den Erkenntnissen ein Leitbild Bülach Süd. Dieses Leitbild wurde mit den Landbesitzern und deren Architekten im Rathaus besprochen. Kernpunkt dieser Studien war (unter vielen anderen Empfehlungen), in Bülach Süd einen Dorfplatz mit kleinräumigem Gewerbe entstehen zu lassen. Aus Ueberzeugung und Einsicht, nicht durch Vorschriften (Cafeteria, Coiffeurladen etc).
Das schien gut aufgegleist bis die neue Generation von Bauvorstehern die ersten eintreffenden Baugesuche behandelte und ohne Vergleich mit dem Leitbild durchwinkte. Diese argumentierten, sie hätten keinen Rechtstitel zur Durchsetzung solcher Wünsche. Doch, vielmehr scheint es der neuen Generation an Baubehörden an städtebaulichem Engagement und Durchsetzungskraft zu fehlen.
Der Tages-Anzeiger schrieb 2005 von einem Seldwyler Schildbürgerstreich. Da sei die Kraft der Partikularinteressen der Bauherren viel stärker gewesen als der Wille der Baubehörde, das Leitbild durchzusetzen.
In der Zwischenzeit ist Bülach Süd demnächst fertig überbaut und wohl weit entfernt von einem vorbildlichen neuen Stadtteil. Eine grosse Chance wurde verpasst. Die entstandenen Wohnungen mögen attraktiv sein, eine Identifikation der Bewohner mit Bülach Süd wird nie stattfinden, quartierleben wird nicht entstehen. Die politische Behörde der neuen Generation hat sich offensichtlich nie überlegt, warum die Altstadt sich einer derart grossen Beliebtheit erfreut und was man durchsetzen muss, damit solche Wohlfühloasen auch in Neubauquartieren entstehen. Und auf die Verwaltung ist auch kein Verlass, warum sollten die auswärts wohnenden Chefbeamten sich für einen Generationen überdauernden Gemeinschaftssinn stark machen.
Oft ist man nach Entscheidungen klüger und kann sich rechtfertigen, man hätte die Probleme nicht im Voraus gesehen. Im Fall Bülach Süd hat man das Problem längst erkannt, bevor Baumaschinen auffuhren und hat dazu das erwähnte Leitbild erarbeitet. Es ist darum besonders sträflich, weitreichende Baubewilligungen zu erteilen, ohne die Vorarbeiten erfahrener Vorgänger zu studieren.
In Bülach Nord hat man eine weitere Chance! Ob sie gepackt wird?
Meinung un Diskussion zu Bülach Süd.
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