Kommentar Meister Ruedi Broschüre der BSB

 

Broschüre der BSB zum

Gesamtverkehrskonzept (GVK) und Zentrumsdurchfahrt

von Ruedi Meister

 

Zu den Stellungnahmen von Stadtrat Lienhart in den Lokalzeitungen

Die von den Beobachtern der Stadt Bülach (BSB) in alle Haushaltungen von Bülach verteilte Broschüre zum Gesamtverkehrskonzept und zur Aufwertung der Zentrumsdurchfahrt hat verschiedene, vorwiegend positive Reaktionen ausgelöst. Auch Stadtrat Lienhart hat im Zürcher Unterländer und im Wochenspiegel zum Inhalt der Broschüre Stellung genommen. Seine Äusserungen dürfen nicht unwidersprochen bleiben. Er bedauert, den oberflächlichen Inhalt der Lösungsvorschläge in der Broschüre. Dem ist grundsätzlich entgegen zu halten, dass es nicht Usus sein kann, dass die Kritiker des Problems Zentrumsdurchfahrt auch gleich einen fertigen Projektvorschlag liefern. Nachfolgend die etwas tiefer gehenden Ausführungen auf die Beanstandungen und Vorwürfe von Stadtrat Lienhart.

Fehlende Verkehrszählungen

Vorerst zum Vorwurf, der nicht vorhandenen Verkehrszahlen, der Lienhart mit “an den Haaren herbeigezogen” abkanzelt. Interessant ist aber, dass im Zusammenhang mit dem politischen Vorstoss von Stefan Basler noch schnell Verkehrszahlen nachgefordert wurden. Der Kanton erhebt in der Regel die Zahlen auf Kantonsstrassen, jedoch in einem grossmaschigen Netz. Von Bülach sind nur Zahlen von der Schaffhauserstrasse im Hardwald, von der Winterthurerstrasse in Eschenmosen und der Zürcherstrasse (BP-Tankstelle) vorhanden. Wie kann denn ein Verkehrsvorsteher seriös auf die Verkehrsfrequenzen im Zentrum der Stadt reagieren, wenn keine aussagekräftige Verkehrszahlen und -beziehungen bekannt sind. Auch die nachträglich eingeforderten Verkehrszahlen geben kein umfassendes Bild ab. Aktuelle und aufgeschlüsselte Zahlen fehlen von der Zürcher-, Winterthurer-, Post-, Badener- und Hochfelderstrasse. Aufgrund seiner Reaktionen ist anzunehmen, dass Stadtrat Lienhart nicht weiss, wie viele Fahrzeuge auf der Hochfelderstrasse verkehren, wie viele in die Spital-, Hinterbirchstrasse oder bei der Sportanlage Hirslen ein und aus fahren. Wenn behauptet wird, der effektive Ost-West-Durchgangsverkehr bewege sich längst auf den dafür angebotenen Umfahrungen und der vorhandene Verkehr im Stadtzentrum sei ortsgebunden und gezwungen die Zentrumsdurchfahrt zu benutzen, könnte niemand widersprechen, da die nötigen Messresultate fehlen.

Vollendung des Stadtrings – Bau eines Viaduktes

Kernstück der Broschüre ist der unvollendete Stadtring, der vor allem dem Zentrumsverkehr auf der Achse Bülach – Hochfelden Erleichterung bringen würde. Die vorgeschlagenen Öffnungen der Lindenhof- und Kreuzstrasse von der Bahnhofstrasse nach aussen, sollen bis zur Vollendung des Rings das Verkehrsproblem im Zentrum lösen helfen. Nutzniesser wäre auch der öffentliche Verkehr, da er weniger im Stau stehen würde. Wird einmal der Stadtring geschlossen, können die Verkehrsführungen der neuen Situation angepasst werden. Obwohl die Investitionen für die geschilderten Massnahmen mit verhältnismässig kleinem Aufwand zu realisieren sind, können die Strassenbauten (Kreisel) auch darnach genutzt werden. Es sind keine nutzlos gewordene Provisorien. Wenn jetzt bezüglich des Stadtrings wieder nichts Konkretes geschieht, sind wir auch in zwanzig Jahren nicht weiter. Nur wird der Verkehr bis dann nochmals erheblich zugenommen haben und die räumlichen Verhältnisse werden noch enger sein. Er wird vermehrt auf Quartierstrassen ausweichen und das Zentrum verstopfen.

Der Vorschlag eines Viaduktes über die Gleisanlagen des Bahnhofs ist nicht neu, aber schon heute praktisch die einzige noch realisierbare und kostengünstigste Lösung, den Ring zu schliessen und dem Zentrum unnötigen Verkehr zu entziehen. Stadtrat Lienhart kritisiert diese Variante als schlicht unrealisierbar und unumsetzbar. Im Gesamtverkehrskonzept wird unter “Aufwertung des Bahnhofs” etwas nördlich des Bahnhofgebäudes über die Gleise eine Passerelle mit Liften und Rampen für Fussgänger und Veloverkehr (behindertengerecht) vorgeschlagen. Dazu ist zu lesen:

Priorität B: Realisierung innert 5 bis 8 Jahre. Kostenschätzung: Offen, sicher > 500’000
Fr. (Projektabhängig, Kostenteiler mit SBB u.a.).

Das ist Augenwischerei. Beim genannten Betrag von einer halben Million Franken kann es sich höchstens um einen Projektierungskredit handeln. Eine vier Meter breite Passerelle kostet ein Mehrfaches. Viel Geld für eine halbe Sache. Was ist da nun naheliegender, wenn am fast gleichen Ort ein echter Viadukt vorgeschlagen wird (ungefähr im Bereich Schaffhauserstr. 102/104), der auch für den motorisierten Verkehr genutzt werden kann. Die Weiterführung des Verkehrs über die Nordstrasse Richtung Spital kommt heute schon nicht mehr in Frage, da das Quartier inzwischen ziemlich kompakt verbaut ist. Übrig bleibt nur noch eine, aber bessere Variante. Es muss eine neue Strasse durch den Wald zur Hochfelderstrasse gebaut werden, wie das seinerzeit beim Bau der Hochleistungsstrasse geschehen ist. Das ist neu. Hier wird kein Quartier tangiert. Bei einem Kreisel an der Hochfelderstrasse ungefähr beim heutigen Parkplatz Vita Parcours wäre der Anschluss. Von dort wären die katholische Kirche, Bezirksgebäude, Spital, Berufsschule, Sportanlage Hirslen, Hochfelden und die weiter westwärts liegenden Orte auf direktem Weg zu erreichen. Und dies wäre möglich mit der Anfahrt von der Hochleistungsstrasse (von Zürich her), von Eglisau, von Embrach, aber auch aus den Quartieren östlich der Schaffhauserstrasse, ohne dass das Zentrum belastet würde. Auch das noch in Planung stehende Quartier Bülach-Nord könnte in mehrfacher Hinsicht profitieren. Sehr gute Verkehrserschliessung durch direkte Anfahrt der genannten Institutionen und Zugang zum Bahnhof. Die Wohnqualität wäre durch die neue Strassenverbindung überhaupt nicht geschmälert, sondern erhöht, da das Quartier nur am Rande tangiert und nicht durchfahren wird. Dazu äusserte sich Stadtrat Lienhart im Wospi aber so: “Wobei zwei Viadukte nebeneinander sowieso keinen Sinn ergeben. Ganz zu schweigen davon, was die Folgen für die Bewohner der betroffenen Quartiere wären: Lärm, Abgase, Gestank. Mündet eine Verkehrsbrücke mitten im künftigen Quartier Bülach Nord, zerschlage dies weitgehend die Pläne, dieses Gebiet zu einem lebendigen Quartier zu entwickeln, in dem Menschen wohnen, arbeiten und ihre Freizeit gestalten.”

Dann wurde hier halt wieder nicht nachhaltig geplant. Von einer guten Erschliessung kann doch nicht die Rede sein. Zu den nebeneinander liegenden Strassen (Viadukte) ist noch zu präzisieren, dass sie nicht den gleichen Zweck erfüllen. Sie haben verschiedene Funktionen. Die Hochleistungsstrasse übernimmt den übergeordneten Schnell-Verkehr auf, während die neue Verbindung Schaffhauser-/ Hochfelderstrasse zur örtlichen Erschliessung gehört. Zur von Lienhart erwähnten Wohnqualität im noch zu bauenden Quartier von Bülach Nord die kurze Bemerkung: Die Stadtbewohner im Zentrum können sich anscheinend nicht der ungewöhnlichen Fürsorge von Lienhart schätzen und gehören nicht zu den privilegierten Personen, die sich erst später einmal in Bülach Nord ansiedeln.

Rodung von Wald

Die Rodung von Wald (Hinter Volleberen) für die Strasse sei nicht möglich, so Lienhart, weil das Bundesamt für Umwelt dies nicht bewilligen würde. Hier geht es aber um eine Güterabwägung. Einerseits Schutz des Waldes neben einer Hochleistungsstrasse, der anderswo ersetzt werden könnte, anderseits Schutz von Wohngebieten vor dem Durchgangsverkehr. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kantonsregierung im nördlichen Teil des Stadtgebietes, in der Nähe des nun stadteigenen Wydhofes. eine Jagdschiessanlage plant. Da muss es doch möglich sein, gerodeter Wald zu kompensieren. Es hat aber noch andere Orte in Bülach, wo aufgeforstet werden kann. Klar ist, dass das Ansinnen beim Amtsvorsteher nicht eitel Freude auslöst. Dafür muss man hart verhandeln, ja vielleicht kämpfen. Das Wohl der Stadtbewohner muss an erster Stelle stehen, alles andere hat sich unterzuordnen.

Öffnung der Lindenhofstrasse

Die Öffnung der Lindenhofstrasse (und vermutlich auch der Kreuzstrasse) ist für Lienhart keine Option: “Es ist keine vernünftige Verkehrspolitik, die Verkehrsströme in die Wohnquartiere zu verlagern.” Auch das ist nicht ganz richtig. Es wird kein Verkehr in ein Wohnquartier verlagert, sondern am Rande gestreift und auf Strassen geführt, die früher vor der wenig stichhaltigen Teilschliessung beachtliche Frequenzen aufwiesen. An den bestehenden Signalisationen und Verboten ist nichts zu ändern, d.h. zum Beispiel Lastwagenfahrten nur für Zubringer zu gestatten. Die vorgeschlagenen Ersatzlösungen sollen bis zur Vollendung des Stadtringes bestehen bleiben.

Kreisel Winterthurer-/Schaffhauserstrasse

Stadtrat Lienhard sagt im Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen leistungsfähigen Kreisel bei der Lichtsignalanlage Winterthurer-/Schaffhauserstrasse: “Die Leistungsfähigkeit nimmt ab, wenn man ein Lichtsignal in einen Kreisel umbaut.” Dies bestätige das Amt für Verkehr. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Bei einem normalen Kreisel mit den heimisch bekannten Dimensionen ist das richtig. Wenn er aber grösser und entsprechend leistungsfähig (mit Bypässen) gebaut wird, stimmt das nicht mehr. Beispiele sind genug vorhanden. Kreisel haben aber vor allem einen grossen Vorteil: Die Fahrt kann auch in der Gegenrichtung wieder fortgesetzt werden, was Verkehrsprobleme lösen hilft. Der Kreisel, ähnlich einem Doppelkreisel, könnte heute am besagten Ort so ausgebaut werden (mit Land, das der Stadt gehört), dass Winterthurer-, Schaffhauser- und Kreuzstrasse, aber auch der Post-Parkplatz aus und in allen Richtungen frequentiert werden könnten. Damit wäre es auch möglich die sensible Verkehrs-Situation bei den Verzweigungen zur Post und Sonnmattstrasse an der Winterthurerstrasse zu entschärfen.

Zuständigkeit: Kanton

Lienhart: Für die Kreuzung Winterthurer-/Schaffhauserstrasse zum Beispiel sei der Kanton verantwortlich. Es ist richtig, dass der Kanton für Staatsstrassen zuständig ist. Gemeinden und Städte haben aber ein verbrieftes Mitspracherecht.

Kein Wort zum öffentlichen Verkehr

Stadtrat Lienhard im Wospi: Wieso die BSB in ihrer Broschüre den öffentlichen Verkehr mit keinem Wort erwähnen, ist für Stadtrat Lienhart unerklärlich. Auch das stimmt nicht. Unter Schlussbemerkungen wird festgehalten, dass Fahrbahnhaltestellen zu verhindern sind und dass durch die zwei nicht unwesentlichen Öffnungen der Lindenhof- und Kreuzstrasse weniger Stau entstehen würde. Der ÖV könnte dadurch wieder ungehinderter zirkulieren. Mehr muss zum ÖV auch nicht gesagt werden.

Fazit

Leider zeichnet sich immer mehr ab, dass von Stadtrat Lienhart keine neuen Ideen zu erwarten sind, solche auch nicht annehmen will. Zum Hauptpunkt “Schliessung des Stadtrings” lässt er sich überhaupt nicht vernehmen. Er verliert sich lieber in bedeutungslosen und teils falschen Erklärungen. Seine Verkehrspolitik ist rückwärts gewandt. Sie wird sich unter seinem Einfluss nicht ändern. Die Stadt kann sich beim Quartier Bülach Nord nicht nochmals eine Unterlassungssünde leisten, wie sie in Bülach Süd passiert ist (Feldstrasse). Die Stimmbürger müssen sich ernstlich fragen, ob ein wieder kandidierender Stadtrat nach 16 Amtsjahren noch in der Lage ist, in den nächsten vier Jahren höchst dringliche Dinge wie das Schliessen des Stadtrings anzustossen. Jedenfalls mit teuren Aufträgen an Ingenieurbüros, die vom Steuerzahler zu berappen sind, gelingt das nicht. Diese machen nur, was von den Auftraggebern gefordert wird. Pragmatische Ideen sind gefragt. Stadtrat Lienhart ist Initiant und Sprachrohr des Stadtrates in Verkehrsbelangen. Bei ihm beginnt, was leuchten soll auf Bülachs Boden. Nach einer langen Phase, in der mehrfach Verkehrswege von Ost nach West ohne Alternativen eingeschränkt wurden und der Verkehr Anzeichen von Überlastung zeigt, ist das Mass erreicht, wo die Umkehr stattfinden muss. Da müssen Leute gewählt werden, die sich nicht scheuen auch weniger angenehme und aufwändige Aufträge an die Hand zu nehmen. Auserwählte Personen, die sich für das Wohl der Stadt einsetzen und dafür einstehen.

Bülach, Mitte Dezember 2013