Monitoring – Affäre

 

Monitoring auf Deutsch: überwachen, abhören, bespitzeln, aufzeichnen, registrieren.

Management und Regierung in der Vertrauenskrise

Die NZZ am Sonntag vom 10. August 2014 hat als erste seine Leser nach sauberer Recherche aufgeklärt. Dann folgte der Wochenspiegel am 13. und 20. August nach mehreren Rückfragen mit ebenso korrekten Darlegungen, während das amtliche Publikationsorgan Zürcher Unterländer einmal mehr seine politische Informationspflicht als Regionalzeitung mit einer spärlichen Teilinformation vernachlässigte (oder nahm die Redaktion des ZU Weisungen aus dem Rathaus entgegen, wie später in diesem Artikel als Möglichkeit nachgewiesen?). Dann folgte auch noch der Blick und schrieb von Stasi-Methoden.

Um was geht es?

Die Vorgeschichte:

Der Stadtrat der letzten beiden Amtsperioden 2006 bis 2014 hat in vielen Bereichen nicht nachvollziehbare Projekte aufgegleist, unausgegorene Beschlüsse gefasst, die übergeordneten politischen Instanzen (Parlament, Souverän) übergangen, ja gar ausgehebelt, die gesamte Verwaltung aufgebläht und dennoch eine Unzahl auswärtiger teurer Berater beschäftigt, alles mit schwerwiegenden Folgen für die Bülacher Entwicklung. Dann begannen sich die Stadträte mit Managern von Grossfirmen zu vergleichen, die massiv höher zu besolden wären.

(alle obigen Antönungen sind auf www.beobachter-stadt-buelach.ch im Detail nachzulesen).

Nicht alle, aber immer mehr, Parlamentarier und Bürger begannen zu opponieren. Die Presse liess Leserbriefe zu (recherchierte selber aber nicht), der einige Male aufgerufene Bezirksrat deckte die Versionen der vom Stadtrat beauftragten fremden Berater und der Stadtrat verhielt sich (wortwörtlich) nach dem Motto „die Hunde bellen und die Karavane zieht vorüber“. Dem Stadtrat zugesandte Briefe und Vernehmlassungen wurden zwar empfangsbestätigt aber nie eingehend studiert und behandelt. Wichtige Volksabstimmungen fielen durch. Der einzelne Bürger, dem Bülach am Herzen liegt, kam sich immer mehr machtlos vor. Die Parteien bekundeten zunehmend Mühe mit ihren eigenen Exekutivmitgliedern, vermieden aber jede Konfrontation, während dem ihnen engagierte Mitglieder in der allgemeinen Stimmung zahlreich davon liefen.

Es begann sich abzuzeichnen, dass es einer Vereinigung bedurfte, welche über genügend Unabhängigkeit, Reformwillen und politischer Erfahrung verfügt, um den Rathausbetrieb zu Aenderungen zu zwingen und die Bürgerschaft mit Fakten aufzuklären. Das gelang im September 2013 mit der Gründung der „Beobachter-Stadt-Bülach BSB“, zu deren Führung sich altgediente Lokalpolitiker verpflichteten und der sich mehrere ehemalige Exekutiv- und Legislativmitglieder als Sympathisanten anschlossen. Es bedurfte einer eigenen Kommunikationsplattform mit Broschüren und Homepage und nicht unbedeutender Geldmittel, alles finanziert aus privaten Mitteln und Spenden.

BSB schreckte den Stadtrat auf

Es ist nachvollziehbar, dass sich die Exekutive ob der plötzlichen, nicht erwarteten, neuen politischen Kraft enervierte. Statt sich den zugegebenermassen zahlreichen Kritiken an den Fehlleistungen aus dem Rathaus zu stellen, hoffte man sich mit Unterstellungen von „schlechten Stil“ an die Adresse der BSB die besagte Karavane vorbeiziehen lassen zu können. Man beauftragte ein Büro aus Zürich, mittels wohlformulierten Sätzen alle BSB-Aussagen als falsch zu bezeichnen. Nach Aussen zeigte man sich gleichzeitig gelassen (an der Neujahrsansprache des Stadtpräsidenten wurde der Stil der BSB gegeisselt, gleichgültig aber erwähnt, der Stadtrat würde nicht mehr auf die BSB-Artikel reagieren…..!). Dennoch verstieg sich der Stapi, die Eröffnungsansprachen an der Rafzermesse und an der Bülacher Gewerbeschau zu nicht passenden Angriffen auf die BSB zu missbrauchen.

Die BSB musste bald erkennen, dass die Exekutive nicht mit ihr argumentieren wollte. Im Gemeinderat dagegen erkannten einige Mitglieder den Handlungsbedarf, welcher Ende 2013 in der Rückweisung des Budgets 2014 gipfelte, nachdem der Stadtrat legislative Beschlüsse kurzerhand negierte, indem er Lohnerhöhungen und teure überdimensionierte Büromieten beschloss, die vorausgehend vom übergeordneten Gemeinderat abgelehnt wurden. Es blieb nichts anderes übrig, als eigene Kräfte zu suchen, die im Ratsbetrieb besseren Argumenten zum Durchbruch verhelfen können und das führte (was anfänglich nicht vorgesehen war) zur Teilnahme an den Wahlen im März 2014. Der Souverän gab den wiederkandidierenden fünf Stadträten eine weitere Chance und hoffte auf eine Aenderung durch einen neuen Stadtpräsidenten. Der BSB billigte der Souverän aber zwei Parlamentarier zu, die sofort nach den Wahlen ihre Arbeit aufnahmen.

Nach den Wahlen im März reduzierte die BSB den öffentlichen Druck auf die Regierung, um den neuen Behörden Zeit für deren Konstituierung zu geben, konzentrierte sich auf die weitere Einarbeit ihrer eigenen Gewählten und organisierte die Fraktionsgemeinschaft mit den ebenfalls neu gewählten Gemeinderäten der GLP. Zudem galt es, die Abstimmungsvorlagen vom 28. Sept. 2014 vorzubereiten, wo die Bürgerschaft zwei für Bülachs Entwicklung wichtige Projekte auf richtige Geleise umleiten kann. Die BSB hofft, dass unter der neuen stadträtlichen Führung trotz dem bestehenden Block von fünf Stadträten aus der letzten Amtsperiode die Verwaltung überprüft, WOV abgeschafft und die Einwirkung fremder Berater reduziert wird, dass der Verkehrsplan im Gemeinderat überarbeitet wird. Die BSB will alle diese Bestrebungen unterstützen.

Und dann der grosse Schock:

Mitten in diese Deeskalationsphase platzte im Mai 2014 der Beleg über die mit Steuergeldern beauftragte Zürcher Firma MC&P zur Ueberwachung von unbescholtenen Bülacher Bürgern, mehrheitlich wohl aus der Umgebung der BSB und der Einstufung der fichierten Bürger in rot, gelb und grün. Zu den Untersuchten gehörten auch andere Parteien (man wollte herausfinden, wie die etablierten Parteien auf die BSB reagierten) und Bewohner, welche sich auf der Homepage der BSB vernehmen liessen. Die genaue Formulierung geht aus der Rechnung der MC&P unzweideutig hervor:

Monitoring Aktivitäten der BSB, Verfolgen der Aktivitäten der BSB via Website und Medien, Monitoring für Chr. Mühlethaler und Stapi erstellen, inkl. Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen, Sitzung mit Chr. Mühlethaler betr. BSB und Plattfolrm „Im Dialog“, Mail-Ausfälligkeiten von Daniel Wülser; Besprechung und Empfehlung weiteres Vorgehen“.

Später behauptet der Stadtschreiber in einem Memorandum an das Parlament und die Presse, das sei moderne Kommunikation wie sie in der Wirtschaft längst üblich sei, genannt „Monitoring“ und sei die Fr. 9‘000.- Steuermittel wert. „Monitoring“ heisst gemäss Dixionär: „abhören, ueberwachen“. (Nebenbei erwähnt lautete der Auftrag an MC&P gemäss Stadtschreiber auf über Fr. 70‘000.- für die Formulierung weiterer Weisungen …..!)

Ein neu gewählter BSB-Gemeinderat kontaktierte in dieser Sache sofort Mark Eberli, den neuen Stapi, der versprach, solche Machenschaften unter seiner Führung nicht mehr zuzulassen. Die BSB schrieb dem Stadtrat einen geharnischten Brief, künftig solche Stasi-Methoden aus dem Präsidium zu unterbinden (in der Meinung, diese Schnüffel-Aktion sei vom alten Stapi und seinem Stadtschreiber als Ueberreaktion angeordnet worden) und sicherte zu, angesichts des Rücktritts des alten Amtsinhabers auf eine Veröffentlichung des Falls zu verzichten. Im selben Brief warf die BSB der Stadt vor, eine ungerechtfertigte Strafanzeige gegen ein Mitglied der BSB erlassen zu haben.

(Siehe Brief der BSB an Stadtrat vom 13. Juni 2014)

Einen Monat später, am 11. Juli 2014 erfolgte eine schriftliche Antwort (vom neuen Stapi mit dem Stadtschreiber unterzeichnet, verfasst aber von dem in Kündigung stehenden Stellvertreter des Stadtschreibers), welche die BSB Leitung erstaunte und einiges erkennen lässt: Die Monitoring-Aktion sei vom gesamten damaligen Stadtrat abgesegnet gewesen und der neue Stadtrat werde diese Methoden keineswegs aufgeben. Woraus sich ableiten lässt, wer im Rathaus regiert, offenbar nicht der Stadtpräsident, der diese Methode künftig zu unterbinden versprach!! Gleichzeitig verneinte der Stadtrat, ein Mitglied der BSB angezeigt zu haben.

(siehe Kopie des Schreibens aus dem Rathaus vom 11. Juli 2014)

Eine solche unglaubliche Verdrehung der Tatsachen konnte die BSB nicht im Raum stehen lassen und antwortete wie folgt (unter Beilage des Beweises für die erfolgte Strafanzeige und der Abschreibung durch die Staatsanwaltschaft Winterthur):

(siehe Brief vom 22. Juli 2014 an die Exponenten der Stadtführung)

Der mitüberwachte GLP-Vertreter verlangte die Herausgabe seiner Fiche und erfuhr schriftlich von der Verwaltung, dass er unter rot fichiert sei etc.

(siehe Kopie der Antwort an den GLP-Präsidenten)

Auf diesem Weg kam die Sache zu einem erweiterten Bekanntheitsgrad, was die NZZ am Sonntag aufnahm, recherchierte etc.

Wer glaubt, jetzt würde sofort und nachhaltig dem Spuk ein Ende gesetzt, der täuscht sich. Der Stadtschreiber (vom Stadtrat abgesegnet?) schreibt dem Gemeinderat und dem Wospi ein Memo, weist alle Darstellungen der NZZ von sich und verteidigt die „Monitoring“-Machenschaften. Er lässt sich sogar dazu verleiten, dem Redaktor anwaltschaftliche Umtriebe anzudrohen (wohl nicht im Ernst, denn der schrieb nichts, was nicht zu belegen ist). Der Brief ist möglicherweise wiederum das Ergebnis fremder bezahlter Schreiberlinge. Mit der Prozessandrohung (die wohl nie ausgeübt wird) kann man immerhin dem neutralen Leser vortäuschen, alles sei unwahr.

(siehe Memo des Stadtschreibers vom 12. August 2014)

Das hat den Präsidenten der BSB veranlasst, dem Stadtschreiber den Rücktritt zu empfehlen.

(siehe Mail vom 15. August 2014)

In der Ausgabe Nummer 33 vom 13. August informierte der WOSPI unter dem Titel Unbescholtene Bürger überwacht und in der Ausgabe Nummer 34 vom 20. August erschien der Artikel Stadtrat reagiert auf Behauptungen.

Im neusten Mail vom 25. August an das Parlament orientiert der Stapi über weitere Entscheidungen, auswärtige Beratungen und Abklärungen. Darin führt er gar auf, welchen Druck die Stadtregierung auf die Presse ausgeübt hat, nicht über die Sache zu schreiben. Dies stellt er in einer Selbstverständlichkeit sondergleichen dar, als ob es die normalste Sache der Welt sei, die Presse zu manipulieren.

(siehe Mail des Stadtpräsidenten vom 25. August 2014)

Liebe Mitbürgerin, lieber Mitbürger, würde es sie überraschen, wenn die BSB bald wieder auf den anfänglichen Stil wechselt? Für den Moment hoffen wir eindringlich, dass Mark Eberli seine Führungsaufgabe wahrnimmt, auch wenn sie unangenehm zu sein scheint.

Den Bericht des Daten-Schutz-Beauftragten, Kanton Zürich, vom 17. November finden Sie unter:  BSB – Bericht DSB, Daten-Schutz-Beauftragter

Und hier der Beschluss des Bezirksrats auf eine Aufsichtsbeschwerde der NZZ am Sonntag gegen die Verweigerung des Stadtrates, die Akten zu veröffentlichen: Bericht im Wospi vom 15.7.2015 (öffnet sich in einem neuen Fenster).